24.03.2024
Dieser Artikel wurde auch im Wochenblatt Speyer abgedruck
Vom Briefmarkensammler zum Ansichtskartensammler
Die Weiterentwicklung des Menschen ist – wie man meinen könnte - kein Selbstläufer. Sie ist getrieben von dem Wunsch nach Fortschritt, Veränderung und innerem Willen. Wir kennen und erleben dies in unterschiedlichster Weise im beruflichen Alltag oder verstärkt beim Erklimmen einer Karriereleiter. Ein in diesem Zusammenhang vielzitierter Satz lautet: „Stillstand heißt Rückschritt.“
Mitunter ist Weiterentwicklung auch bei der einen oder anderen Freizeitgestaltung erkennbar. So verbessert ein Sportler durch gezieltes und dauerhaftes Training seine Bestmarken. Ebenso kann – um hier ein zweites Beispiel zu nennen – ein Schüler/Schülerin durch permanentes Üben und Lernen die Sprachfähigkeit erweitern.
Geht so etwas auch in der Philatelie? Diese Frage habe ich mir schon recht früh gestellt. Ich empfand es als jugendlicher Briefmarkensammler zusehends Eindimensional (ohne hier das Wort langweilig zu gebrauchen) Marken, und waren sie noch so schön und interessant – stupide in ein Album zu stecken. Dieser anfängliche Reiz war bei mir ziemlich schnell verflogen. Der Wille nach einer Veränderung bildete bei mir auch hier die Basis auf der Suche nach einer philatelistischen Weiterentwicklung.
Ich begann zusehends Wert auf Details zu legen und veränderte meinen Blickwinkel auf das Ganze. Mir war auf einmal wichtig, Briefmarken nur sauber gestempelt zu sammeln. Ideal waren Stempelabdrücke, auf denen man sogar Ort und Datum lesen konnte. Wenn ich eine Marke in die Finger bekam, die dieses Prädikat/Kriterium nicht erfüllte, so wanderte sie unbarmherzig und rigoros in einer meiner Tauschalben.
Die nächste Stufe meiner Entwicklung kombinierte ich mit einem gesteigerten Interesse an Heimatgeschichte. Einer der Anlässe war ein auf dem Speicher meiner Großeltern mütterlicherseits gefundener Kartoffelsack (aus Jute) mit vielen Briefen hauptsächlich aus den 30er und 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Darunter waren auch zahlreiche Feldpostbriefe, die hauptsächlich an die Front nach Russland gingen. Der besondere Reiz für mich waren neben den Marken (u. a. die mit einer blauen Ju52) die Poststempel vom örtlichen Postamt in „Heiligenstein“. Ich durfte zwar alle Umschläge behalten, doch mussten die Inhalte in Form von persönlichen Briefen wieder in den Kartoffelsack zurückwandern. Es war für mich dennoch wie eine kleine Schatzsuche. Meine Funde nahm ich mit nach Hause, wo ich sie gleich verstaute und immer wieder bei passender Gelegenheit hervorholte und begutachtete.
Spätestens mit der 800-Jahrfeier meines Heimatdorfes Heiligenstein im Jahre 1990 war der Virus bezüglich einer intensiven Heimatforschung vollends implementiert. Ja, es wurde sogar zur Sucht, die bis heute anhält.
Ich begann in dieser Zeit nun mit dem Sammeln von Ansichtskarten (AK). Das hatte gleich mehrere Vorteile: 1. Auf der Vorderseite gab es darauf heimatbezogene Motive, im besten Fall sogar in Form einer Lithographie. 2. Auf der Rückseite war neben einer Briefmarke auch ein Stempel des örtlichen Postamtes und 3. Mitunter gab es ganz interessante Texte zu lesen. Was mir schnell auffiel war die Tatsache, dass auf den älteren AK´s ein zweiter Stempel angebracht war, der die Ankunft der Karte beim Empfängerpostamt festhielt. Und siehe da: schon vor über 100 Jahren war die Post ganz erstaunlich schnell unterwegs. Das überraschte mich! (Manchmal war früher eben doch alles besser?)
AK´s zu sammeln bedeutete von nun an nicht nur eine erneute Weiterentwicklung in meinem philatelistischen Hobby, sondern erweckte in mir eine bis dato unbekannte Leidenschaft. Was lag für mich näher als nach jenen meines Heimatortes zu suchen? Mitte/Ende der 90er Jahre wollte es der Zufall, dass sich ein versierten AK-Sammler von seiner Sammlung zu trennen beabsichtigte und ich das Angebot bekam, diese Sammlung zu übernehmen. Natürlich war es für mich „die“ Gelegenheit, um „zuzuschlagen“ nach dem Motto: „koste es was es wolle“.
Schnell fand ich heraus, dass es in Sammlerkreises sogenannte AK-Börsen gibt. Wieder wurde meine Neugierde geweckt. In Fachzeitschriften konnte ich mir die Termine notieren, die meistens nur an den Wochenenden stattfanden. Über einige Jahre fuhr ich dann nach Mainz, Stuttgart, Wiesbaden, Wadgassen, Nürnberg usw. kreuz und quer durch Süddeutschland. Nicht selten kam ich auch mit ein oder gar mehreren „Trophäen“ und mit Stolz zurück. Sogar meine Frau begleitete mich das eine oder andere Mal.
Meine AK-Sammlung über Römerberg bzw. den ehemals selbstständigen Orten Berghausen, Heiligenstein und Mechtersheim wuchs immer mehr. Bald konnte ich die 100er Marke überschreiten und die Karten nicht nur chronologisch, sondern auch nach entsprechenden Themen sortieren, was ich klasse fand.
1995 gründete sich in Römerberg ein Heimatverein, dessen Gründungsmitglied ich bin. Einige Zeit später bot sich die gute Gelegenheit, meine Ansichtskartensammlung erstmals einer Öffentlichkeit zu präsentieren. Als Mitglied des BSV-Speyers (seit 1977) wurde ich dabei von einem Sammlerfreund sowie dem Vorsitzenden Georg Kapp, meinem alten Lehrmeister aus der Jugendgruppenzeit, unterstützt. Die Ausstellung fand an zwei Wochenenden im Römerberger Zehnthaus (Ortsteil: Berghausen) statt, war vielbeachtet und wurde ein voller Erfolg.
Nun begann ich erneut mein Hobby weiter zu entwickeln. Zu den Ansichtskarten gesellten sich nun auch heimatliche Postbelege. Und wieder kam mir in gewisser Weise auch hier das Glück entgegen. Denn ich konnte eine schöne Sammlung sehr günstig ersteigern mit zahlreichen Belegen aus allen drei Römerberger Orten. Der Grundstock war nun auch hier gelegt. Ich ergänzte und bereicherte die schöne Sammlung durch eigene vorhandene Belege. Nun erinnerte ich mich wieder an die Feldpostbriefe aus dem Kartoffelsack meiner Großmutter. Und gerade sie passten ideal zu meiner Heimatsammlung und konnten eine Lücke nicht nur füllen, sondern sogar die Sammlung bereichern.
So gingen weitere Jahre ins Land. 2019 gab es dann im Rahmen des 50-jährigen Gemeindejubiläums von Römerberg die tolle wie einmalige Gelegenheit, die AK-Sammlung und auch die Heimatsammlung erneut der Öffentlichkeit zu präsentieren. Das Echo war überwältigend. Die Zahl der Besucher der Ausstellung in der Rhein-Pfalz-Halle überaus groß. Die Ausstellung wurde zum bisherigen Höhepunkt meiner Sammlerleidenschaft.
Ansichtskarten und Heimatbelege – eine gelungene Symbiose der Philatelie, die zeigen, was entstehen kann, wenn ein Hobby sich weiterentwickelt und quasi immer wieder neu erfunden wird. Und somit schließt sich der Kreis mit der Erkenntnis, dass alles einmal mit dem blauen Album meines Vaters begonnen hat.
Haben wir Ihr Interesse am Sammeln geweckt? Dann besuchen Sie uns doch einmal an einem unserer Vereinsabende.